Pferde im Offenstall – Genehmigung muss sein

Wer auf dem Land lebt, genießt gerne den Anblick der vielen Pferde auf den Koppeln. Manchmal ist dort dann auch ein sogenannter Offenstall zu entdecken. Ein solcher Stall ist eine traditionelle Art der Gruppenauslaufhaltung. Sie bietet den Pferden neben viel Bewegung an frischer Luft und ganztägiger Futteraufnahme auch Ruhe- und Rückzugsmöglichkeiten vor den Blicken der Nachbarn.

Aber natürlich muss der Pferdehalter einen solchen Stall auch den Vorschriften entsprechend bauen. Ansonsten droht Ärger. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte nun über einen Fall mit Pferden und Offenstall aber ohne Baugenehmigung zu entscheiden.

Das ist passiert:

Die Inhaberin eines Pferdehofs hat ohne Baugenehmigung auf ihrem im Außenbereich gelegenen Grundstück einen Offenstall für Pferde errichtet und darin Pferde eingestellt. Sie ist die Beklagte zu 1 und zugleich Geschäftsführerin der Beklagten zu 2, die auf dem Grundstück eine Reitschule betreibt. Die Klägerin lebt in einem Einfamilienhaus etwa 12 m entfernt.

Die dann beantragte Baugenehmigung lehnte die Bauaufsichtsbehörde ab. Das Verwaltungsgericht wies in 2016 die von der Beklagten zu 1 erhobene Klage mit der Begründung ab. Für die Richter lässt der Offenstall die gebotene Rücksichtnahme auf das Wohnhaus der im dortigen Verfahren beigeladenen Klägerin vermissen. Der Stall befindet sich mit 12,5 m unmittelbar an der Grenze zum Grundstück und den Ruheräumen der hiesigen Klägerin. Die Pferdeboxen sind zudem mit dem Auslauf zum Wohnhaus ausgerichtet. Das Urteil ist rechtskräftig.

Bisheriger Instanzen:

Das Landgericht Halle verurteilte die Beklagten, die Haltung von Pferden in dem Offenstall zu unterlassen. Im Berufungsverfahren sah das Oberlandesgericht Naumburg die Sache etwas differenzierter. Die Klage gegen die Beklagte zu 2 wurde abgewiesen. Die Beklagte zu 1 wurde zwar verurteilt. Allerdings darf sie bei der Haltung von Pferden in dem Offenstall zukünftig nur die Immissionsrichtwerte nach der jeweils geltenden TA Lärm nicht überschreiten.

Das meint der BGH:

Damit waren die Prozessparteien immer noch nicht einverstanden. So war nun der V. Zivilsenat des BGH am Zug. Mit Urteil vom 27. November 2020 (V ZR 121/19) hat er das Berufungsurteil des OLG Naumburg aufgehoben. Der BGH hat das Urteil des Landgerichts Halle im Verhältnis zur Beklagten zu 1 in der Sache wiederhergestellt. Die Beklagte zu 2 muss sich mit einer abschließenden Entscheidung noch etwas gedulden. Insoweit hat der BGH die Sache an das Berufungsgericht (OLG) zurückverwiesen.

Die Klägerin hat aus dem öffentlich-rechtlichen Gebot der Rücksichtnahme einen Anspruch darauf, dass die Beklagte zu 1 die Haltung von Pferden in dem Offenstall auf ihrem Grundstück unterlässt. Es sind nachbarschützende Vorschriften des öffentlichen Baurechts verletzt. Zu solchen Normen zählt das Gebot der Rücksichtnahme. Aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Verwaltungsgerichts steht mit Bindungswirkung für den Zivilprozess ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot fest. Dies kann einen verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruch des Nachbarn begründen.

Die Klägerin hat damit einen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB analog auf Unterlassung der Nutzung des Stalls zur Pferdehaltung. Selbst die dafür erforderliche Wiederholungsgefahr sieht der BGH. Schließlich hat die Beklagte zu 1 den Stall bereits in der Vergangenheit rechtswidrig genutzt.

Wichtig: Wem gehören welche Pferde?

Das Berufungsurteil gegen die Reitschule (Beklagte zu 2) hatte ebenfalls keinen Bestand. Die Klägerin kann gegen die Reitschule einen Anspruch darauf haben, dass diese keine Pferde in den Offenstall einstellt. Das muss aber noch näher aufgeklärt werden. Laut BGH kann die Klägerin zum Beispiel anhand des Aussehens der Pferde nicht beurteilen, darlegen oder beweisen, welche Pferde der Beklagten zu 1 oder der Beklagten zu 2 gehören. Daher trifft die Beklagte zu 2 eine sogenannte sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Behauptung der Klägerin, die Reitschule habe Pferde in den Offenstall eingestellt. Dieser hat sie bislang nicht genügt.

Die Beklagte muss sich deshalb in dem erneuten Verfahren vor dem Berufungsgericht konkret dazu äußern, welche Pferde ihr in dem von der Klägerin behaupteten Zeitraum der Nutzung des Offenstalls gehörten und wo diese tatsächlich untergestellt waren.

Fazit: 

Das Glück dieser Erde mag zwar auf dem Rücken der Pferde liegen – aber sicher nur nach vorheriger Baugenehmigung für den Stall.

(Foto von Jayfeather bei Pixabay)

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