Wer kennt das nicht: Sonntagabend, TV-Krimizeit, und in der Gerichtsverhandlung erhält ein Angeklagter von dem Vorsitzenden Richter das letzte Wort. Dieser darf die Sache noch einmal aus seiner Sicht schildern, seine Unschuld beteuern oder aber um Gnade bitten. Was passiert jedoch im realen Gerichtssaal, wenn das Gericht vergisst, dem Angeklagten das „letzte Wort“ zu überlassen und ihn dann verurteilt? Das Oberlandesgericht (OLG) Celle hatte genau diesen Fall auf dem Tisch.
In der ersten Instanz hat ein Angeklagter über seinen Verteidiger ein vollumfängliches Geständnis abgegeben. Er ist dann wegen einer Schlägerei verurteilt worden. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Nichterteilung des letzten Wortes rügt.
Das OLG als Revisionsinstanz nimmt eine Unterscheidung vor: Der Schuldspruch durch die erste Instanz wird nicht in Zweifel gezogen. Aufgrund des vollumfänglichen Geständnisses des Angeklagten in der Hauptverhandlung und der ansonsten gegebenen klaren Beweislage wird ausgeschlossen, dass der Angeklagte in einem „letzten Wort“ etwas insofern Erhebliches hätte bekunden können. Dagegen kann der Ausspruch über die Strafzumessung (Art und Höhe der Strafe) auf dem Verfahrensfehler beruhen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Angeklagte in einem „letzten Wort“ Ausführungen gemacht hätte, welche die Strafzumessung zu seinen Gunsten beeinflusst hätten. Die Verteidigung erzielt also nur einen Teilerfolg.
OLG Celle; Beschluss vom 09.02.2015; 32 Ss 167/14