Pastiche – Kraftwerk und Pelham ziehen nach Europa

Pastiche, Metall, Kraftwerk…  Musikunkundige werden teilnahmslos mit den Schultern zucken – Musiker und Juristen wissen, es geht um einem Rechtsstreit von historischer Dimension. Unten findet ihr die ansehnliche Liste der Vorinstanzen zu der nun elften Entscheidung in dem juristischen Kräftemessen.

Der auch für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat jetzt beschlossen, den Rechtsstreit erneut dem Gerichtshof der Europäischen Union vorzulegen. Dadurch sollen wichtige Fragen zum urheberrechtlichen Begriffs des Pastiches geklärt werden. Erst danach wird der BGH dann in der Sache selbst entscheiden können.

Das ist passiert:

Anno 1977 veröffentlichte die deutsche Band „Kraftwerk“ den Song Metall auf Metall. 20 Jahre später erscheint der Song Nur mir mit der Sängerin Sabrina Setlur. Komponisten dieses neuen Musikstücks sind Moses Pelham und Martin Haas. Sie haben allerdings unter den Song ungefragt zwei Sekunden einer Rhythmussequenz aus dem Titel Metall auf Metall elektronisch kopiert („gesampelt“). Und schon beginnt ein endloser Streit.

Die Kläger sehen durch das Sampling ihre Rechte als Tonträgerhersteller und das Urheberrecht des Klägers zu 1 als Komponisten verletzt. Sie haben die Beklagten auf Unterlassung in Anspruch genommen, Tonträger mit der Aufnahme „Nur mir“ herzustellen und in Verkehr zu bringen. Außerdem haben sie die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten, Auskunftserteilung und Herausgabe der Tonträger zum Zweck der Vernichtung verlangt.

In meinem Beitrag aus dem Sommer 2022 findet ihr einen genaueren Schnelldurchlauf durch die Instanzen mit weiteren Hinweisen und Links.

Das meint der BGH:

Nach zuletzt dem OLG Hamburg war nun wieder der BGH aufgrund der Revision der Kläger (Kraftwerk) an der Reihe. Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren jedoch erneut ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft vorgelegt. Worum geht es dabei?

In Richtlinien und Gesetzen taucht ein relativ neuer Rechtsbegriff auf: Pastiche. Zu diesem Begriff fehlen offensichtlich europaweit einheitliche Definitionen, die der BGH nun durch seine Verweisung und die Fragen an den EuGH erreichen will. Das OLG Hamburg hat mit dem Argument, die Übernahme der Rhythmussequenz aus dem Titel „Metall auf Metall“ im Wege des Sampling könne eine zulässige Nutzung zum Zwecke des Pastiches sein, die Ansprüche der Kläger zurückgewiesen. Ob diese Auffassung richtig ist, ist nicht unstreitig. Das Musikstück Nur mir erfüllt nach Auffassung des BGH nicht die Voraussetzungen einer Karikatur oder Parodie des Musikstücks Metall auf Metall, da in ihm nicht Humor oder Verspottung ausgedrückt wird. Es geht um die Abgrenzung von Urheberrecht und Kunstfreiheit, den Schutz geistigen Eigentums und um einen Ausgleich von Rechten und Interessen.

Das sind schwierige und zugleich wichtige rechtliche Fragen, die aus gutem Grund europaweit geklärt werden sollten, auch wenn es hier „nur“ um zwei Sekunden Rhythmus eines inzwischen 46 Jahre alten Musikstücks geht.

Fazit:

Die Europatournee von Metall auf Metall geht weiter. Der nächste Auftritt in Karlsruhe ist aber schon geplant.

BGH, Beschluss vom 14. September 2023 – I ZR 74/22 – Metall auf Metall V

(Foto: privat)

Vorinstanzen:

  • LG Hamburg – Urteil vom 8. Oktober 2004 – 308 O 90/99
  • OLG Hamburg – Urteil vom 7. Juni 2006 – 5 U 48/05
  • BGH – Urteil vom 20. November 2008 – I ZR 112/06 – Metall auf Metall I
  • OLG Hamburg – Urteil vom 17. August 2011 – 5 U 48/05
  • BGH – Urteil vom 13. Dezember 2012 – I ZR 182/11 – Metall auf Metall II
  • BVerfG – Urteil vom 31. Mai 2016 – 1 BvR 1585/13
  • BGH – Beschluss vom 1. Juni 2017 – I ZR 115/16 – Metall auf Metall III
  • EuGH – Urteil vom 29. Juli 2019 – C-476/17 – Pelham u.a.
  • BGH, Urteil vom 30. April 2020 – I ZR 115/16 – Metall auf Metall IV
  • OLG Hamburg – Urteil vom 22. April 2022 – 5 U 48/05

 

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