Es geht um Musik, um Tonträger, um Sampling, um zwei Sekunden, um Kunstfreiheit, um Tonfetzen. Ach ja, und dann geht es juristisch auch noch um das Urheberrecht.
Was war passiert? Im Jahre 1977 veröffentlichte die Gruppe Kraftwerk ihren Titel „Metall auf Metall“. 1997 „entlieh“ sich Moses Pelham eine Sequenz von zwei Sekunden aus diesem Titel. Er legte sie als Dauerschleife unter den Song „Nur mir“ und spielte diesen mit der Rapperin Sabrina Setlur ein. Pelham hatte die Sequenz elektronisch kopiert (gesampelt) und beruft sich auf die Kunstfreiheit. Die klagende Band Kraftwerk sieht durch das Sampling ihre Rechte als Tonträgerhersteller verletzt. Sie hat die Gegenseite auf Unterlassung, Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht, Auskunftserteilung und Herausgabe der Tonträger zum Zweck der Vernichtung in Anspruch genommen.
Der Prozess dauert schon viele Jahre und ist durch viele Instanzen rauf und runter gegangen. Zuletzt hat der Bundesgerichtshof (BGH) die Revision der Beklagten zurückgewiesen, da diese durch das Sampling in das Recht der Kläger als Tonträgerhersteller eingegriffen hätten. Sie könnten sich nicht auf das Recht zur freien Benutzung berufen. Begründung: Es sei ihnen möglich gewesen, die aus dem Musikstück „Metall auf Metall“ entnommene Sequenz selbst einzuspielen. Aus der Kunstfreiheit lasse sich kein Recht ableiten, die Tonaufnahme ohne Einwilligung des Tonträgerherstellers zu nutzen.
Das Bundesverfassungsgericht hat dieses Revisionsurteil aufgehoben und die Sache an den BGH zurückverwiesen. Das Argument des BGHs, dass die Übernahme selbst kleinster Tonsequenzen einen unzulässigen Eingriff in das Tonträgerherstellerrecht der Kläger darstelle, soweit der übernommene Ausschnitt gleichwertig nachspielbar sei, trage der in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG garantierten Kunstfreiheit nicht hinreichend Rechnung, so die Verfassungsrichter.
Was meint der BGH?
Der BGH hat das erneute Revisionsverfahren jetzt ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) diverse Fragen zur Auslegung von Richtlinien und auch zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums vorgelegt.
Nach Ansicht des BGH stellt sich zunächst folgende Frage: Liegt ein Eingriff in das ausschließliche Recht des Tonträgerherstellers zur Vervielfältigung seines Tonträgers vor, wenn seinem Tonträger kleinste Tonfetzen entnommen und auf einen anderen Tonträger übertragen werden? Und handelt es sich bei einem Tonträger, der von einem anderen Tonträger übertragene kleinste Tonfetzen enthält, um eine Kopie des anderen Tonträgers. Soweit – so kompliziert. Aber an die Beantwortung dieser Frage knüpfen diverse Fragen zum Urheberrecht und zum Recht auf freie Benutzung an.
Schließlich stehen das gemäß EU-Grundrechtecharta geschützte geistige Eigentum der Kläger als Tonträgerhersteller und die ebenfalls in der EU-Grundrechtecharta gewährleistete Kunstfreiheit der Beklagten als Nutzer des Tonträgers einander gegenüber.
Es bleibt also spannend, und ein Ende ist nicht absehbar.
BGH, Beschluss vom 01.06.2017, I ZR 115/16