Kraftwerk gegen Pelham, dieser Rechtsstreit scheint sich zu einer Art unendlichen Geschichte zu entwickeln. In meinem Blog hatte ich bereits über die Vorgeschichte berichtet. Nun hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) ein Urteil zu dem Vorabentscheidungsersuchen des Bundesgerichtshofs gefällt. Damit werden aber zunächst „nur“ die sechs Fragen beantwortet, die der BGH bereits im Sommer 2017 dem EuGH gestellt hat. Das Verfahren beim BGH kann nun fortgesetzt werden. Ein Ende ist nicht in Sicht.
In dem Streit geht es um die Frage, ob Sampling einen Eingriff in die Rechte des Tonträgerherstellers darstellen kann, wenn es ohne dessen Zustimmung erfolgt. Sampling ist eine Technik, bei der mit Hilfe elektronischer Geräte einem Tonträger Auszüge entnommen werden, um sie als Bestandteile einer neuen Komposition auf einem anderen Tonträger zu nutzen. Hier geht es um zwei Sekunden aus dem Musikstück „Metall auf Metall“ der Gruppe Kraftwerk aus dem Jahre 1977, die in dem Musikstück „Nur mir“ aus dem Jahre 1997 als Dauerschleife unterlegt sind. Über die Links gelangen Sie zu den Musikstücken. So können Sie sich Ihr eigenes Urteil bilden.
Das meint der EuGH:
In seinem Urteil stellt der EuGH klar, dass jeder Tonträgerhersteller das ausschließliche Recht hat, die Vervielfältigung seiner Tonträger ganz oder teilweise zu erlauben oder zu verbieten. Es ist dabei völlig egal, ob das entnommene Audiofragment sehr kurz oder sehr lang ist.
Der EuGH differenziert dann aber feinsinnig. Eine „Vervielfältigung“ soll nicht vorliegen, wenn ein Nutzer in Ausübung seiner Kunstfreiheit das Audiofragment in geänderter und beim Hören nicht wiedererkennbarer Form in ein neues Werk einfügt. Diese Differenzierung trägt nach Ansicht der Richter dem Ausgleich zwischen den Interessen der Inhaber von Urheber- und verwandten Schutzrechten auf der einen und dem Schutz der Interessen und Grundrechte der Nutzer und der Kunstfreiheit auf der anderen Seite ausreichend Rechnung.
Allerdings ist ein Gegenstand, der alle oder einen wesentlichen Teil der in einem Tonträger festgelegten Töne übernimmt, eine Kopie dieses Tonträgers. Für diese hat der Tonträgerhersteller das ausschließliche Verbreitungsrecht. Werden aber nur Musikfragmente, gegebenenfalls in geänderter Form, übernommen, um ein neues und unabhängiges Werk zu schaffen, so soll es sich nicht um eine Kopie handeln.
Und so geht es weiter:
Es bleibt also spannend. Der BGH wird jetzt dieses Urteil des EuGH auszulegen und anzuwenden haben. In einigen Monaten oder Jahren wird also die Musikwelt erwartungsvoll nach Karlsruhe schauen. Dann werden wir (vielleicht) wissen, wie es mit Kraftwerk, Pelham, dem Sampling und dem ganzen Rest weitergehen wird. „Nur mir“ mit dem Audiofragment aus „Metall auf Metall“ ist ja auch erst 22 Jahre alt.
EuGH, Urteil vom 29. Juli 2019, C-476/17