Was hat das Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) mit dem Zutritt zu einer Musikveranstaltung zu tun? Diese Frage durfte jetzt der Bundesgerichtshof in Karlsruhe beantworten. Die Verhandlung im Frühjahr hat viel Aufmerksamkeit erregt. Auch ich hatte bereits im März über diesen Fall berichtet. Natürlich ist es besonders interessant, wenn der BGH mitten in der Corona-Zeit über den Zutritt zu einem Festival berät. So konnte sich jeder daran erinnern, wie es damals war, als noch tausende Fans ausgelassen die Songs ihrer Lieblingsband lauthals und gemeinsam mitgesungen haben. Aber das ging natürlich nur, wenn der Türsteher zuvor den Zutritt gewährt hat…
Das ist passiert:
Im August 2017 veranstaltete die Beklagte ein Open-Air-Event in München. Über 30 DJs sollten dort elektronische Musik auflegen. Einen Vorverkauf gab es nicht. Die Party war auf maximal 1.500 Personen ausgelegt. Interessanterweise konnten die Besucher ein Ticket erst nach dem Passieren der Einlasskontrolle kaufen. Doch soweit kam der damals 44-jährige Kläger nicht. Ihm und seinen 36 und 46 Jahre alten Begleitern wurde bereits bei der ersten Kontrolle der Zutritt verwehrt.
Die Beklagte erklärte dem Kläger, dass die Zielgruppe dieser Veranstaltung Personen zwischen 18 und 28 Jahren gewesen seien. Die Kapazität war beschränkt. Deshalb und um den wirtschaftlichen Erfolg einer homogen in sich feiernden Gruppe nicht negativ zu beeinflussen, gab es die Anweisung, dem optischen Eindruck nach altersmäßig nicht zur Zielgruppe passende Personen den Zutritt zu verwehren.
Das sieht der Kläger nicht ein. Er vermutet eine Benachteiligung wegen seines Alters. Der Kläger hält daher einen Entschädigungsanspruch gemäß § 19 Abs. 1, § 21 Abs. 2 AGG für angezeigt und verlangt von der Beklagten die Zahlung von 1.000 €. Damit scheitert er in den beiden ersten Instanzen. Jetzt liegt das Urteil des BGH vor.
Das meint der BGH:
Der Bundesgerichtshof hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Er schließt sich damit der Rechtsauffassung der Vorinstanzen an. Der sachliche Anwendungsbereich des zivilrechtlichen Benachteiligungsverbots nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG sei nicht eröffnet.
In § 19 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 AGG ist von einem Massengeschäft die Rede. Der BGH versteht darunter zivilrechtliche Schuldverhältnisse, die typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen. Dafür muss aber der Veranstalter bereit sein, einen Vertrag im Rahmen seiner Kapazitäten grundsätzlich mit jedermann abzuschließen.
Bereits das Berufungsgericht hat keine Verkehrssitte festgestellt, wonach zu öffentlichen Veranstaltungen, die mit der hier betroffenen Party vergleichbar sind, jedermann Eintritt erhält. Nur solche Veranstaltungen unterfallen dem § 19 AGG, bei denen es den Veranstaltern nicht wichtig ist, wer ihr Angebot annimmt. Das wird oft schon durch einen Vorverkauf dokumentiert. Die Veranstaltung der Beklagten war aber anders organisiert. Bei solchen Party-Event-Veranstaltungen, deren Charakter in der Regel auch durch die Interaktion der Besucher geprägt wird, kann die konkrete Zusammensetzung des Besucherkreises von Bedeutung sein.
Der BGH sieht in dem Vertrag zum Zutritt zur Party auch kein „massengeschäftsähnliches“ Schuldverhältnis. Vielmehr kann bei Schuldverhältnissen wie öffentlichen Party-Event-Veranstaltungen die Zusammensetzung des Besucherkreises deren Charakter prägen. Damit besteht dann auch ein anerkennenswertes Interesse des Unternehmers, auf die Zusammensetzung der Gäste Einfluss zu nehmen. Richtet der Veranstalter also sein Angebot nur an eine bestimmte, nach persönlichen Merkmalen definierte Zielgruppe und akzeptiert er nur diese als Vertragspartner, kommt diesen Eigenschaften nicht nur nachrangige Bedeutung zu. Diese Willensentscheidung des Veranstalters ist von den potenziellen Partygästen hinzunehmen. Konkret am Fall bestätigt der BGH, dass dies auch für das Merkmal „Alter“ gilt.
Und damit gibt es nun für den Kläger nach „Kein Zutritt“ auch noch „Kein Geld“.
BGH, Urteil vom 5. Mai 2021 – VII ZR 78/20 –
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